De Kriibsewee

Jean HAAN beschreibt folgende Legende in seinem Buch „Sagenumrankte Heimatburgen“:

Die Schüttburg
Abseits und waldumrauscht träumt die unweit Kautenbach auf einem schmalen Bergkegel thronende Schüttburg in die Zeiten. Von ihr wird gesagt, sie hätte nie den nahen Krieg erlebt. Sie sah immer Ritter und Soldaten in schönen Uniformen und mit dem Schwert in der Scheide. Der Volksmund weiß von zwei geheimen Gängen, von denen der eine vom Schloss aus bis ans Ufer der Clerf, der andere vom Schloss bis zum Friedhof von Consthum führt. Kostbare Schätze liegen seit alters in einem verborgenen Verlies, und der Schlossbrunnen soll in einer an die hundert Meter reichenden Tiefe bis zu dem Wasser des Clerfbaches dringen. „Krebsenweg“ nennt das Volk den felsigen Pfad, der zur Burg führt. Einst wurde ein Bauer vom Grafen beim Krebsfang ertappt: als Strafe für seinen Frevel musste er mit Hacke und Schaufel diesen steinigen Weg bauen. Doch der Fluch, den der Bauer gegen den unmenschlichen Burgherrn ausstieß, lässt diesen bis in unsere Zeit hinein keine Ruhe im Grabe finden. Mit dem wilden Grafen von Wilwerwiltz und dem Grafen von Enscheringen muss er Nacht für Nacht um die Zwölfte in der Turmkammer das Trinkhorn leeren. Dann hocken die Knochenleiber der drei Wüstlinge um den klobigen Eichentisch und lassen das von einem Gespenst dargebotene Trinkhorn umgehen, aus dem siedendes Öl den zu Tantalusqualen Verdammten bei jedem Schluck den Hals hinabbrodelt. Dem Schüttburger kriechen dabei eine Unmenge Krebse den Rücken hinauf und peinigen ihn mit ihren zwackenden Scheren. Franz Binsfeld (1891 – 1956) hat die Sage vom Krebsenweg und dem verfluchten Schüttburger in die gebundene Form des Heimatdialektes gesetzt:

Wann d’Hallefnuecht bruckt iwer d’Schibbrecher Schlass
da wéimert de Keizche mat raschtejer Strass;
de Fiisjen dé billt bal biergop a biergof,
an d’Echelen huupsen a fanne ké Schlof.
Emglönnert ass d‘Schlass mam zerbölzte Gesiicht,
an d’Kummer am Tuur ass mat Kärze beliicht.
Do sötzen drei Rötter beim knubblechen Dösch,
en Téinen an Dédechen haalt durch de Bösch.
Dé Wölle vu Wölwerwoltz birelt sech blo,
den Eischer, dé Schibbrecher kommen net no.
Nach drekt op dém ale Gemeier
de Fluch, dén de Jupp huet gedoon,
wé hie fir dem Barong sei Geier
huet missen de Kriipsewé schloon.
Et sötzen drei Rötter beim Wein mat der Kaart,
dat ass en Tornéiren do héich iwer d‘Paart.
De Barong vu Schibbrech huckt do sou bleech,
ei, géif en dach spülen, e kriit jo de Streech!
Dach stuerkt en an zekt mat vergeeschtertem Blék,
sou grous wéi e Schof sötzt e Kriips him um Rék;
dé schléit him seng Geisslen em d’Kopp, op de Baak,
an d’Zaangen zerbeissen den Hals an den Aak.
Eng Hellewull Kriipsen, e wabblechen Trapp
déi kommen nach hannen, do geet him den Dapp.
Sou klonkt un dém ale Gemeier
de Fluch, dén de Jupp huet gesprach;
well d’Kriipsen déi koumen hien deier:
de Jupp huet de Wé hei gebrach.
Daat ass nach de Fluch, dén de Jupp huet gedoon;
an d’Fielz huet e missen de Kriipsewé schloon.
De Jupp huet verbènzt gier gekriipst a geföscht,
du gouf e vum Barong beim Kriipsen erwöscht.
De Jupp musst de Kriipsewé briechen zur Strof,
de Fluch hölt dem Barong am Graaf nach de Schlof.
Verangscht ass sei Spillen, him klabbert d’Gebék;
him krabbelen d’Kriipsen sou kal op de Rék. –
Do trappt et durch d‘Hecken, well d’Auer schléit Eng;
all Geeschter verschwannen an d’Luucht ass rem rèng.
Verdreemt op dém ale Gemeier
gin d‘Stieren am fröndleche Bou;
de Bierch ass rem stöll a geheier,
d‘Gedéisch könnt och nés zur Rou. –

(Fr. Binsfeld ) (1891 – 1956)

Die Episode vom Krebsenweg ist geschichtlich belegt und fällt unter die Herrschaft des grimmigen Barons von Hoefnagle (1748). In der Tat waren es zwei Untertanen, die den Weg brechen mussten: Anton Blom und Johann Cart aus Hoscheid wurden vom Schlossherrn von Hoefnagle an der Clerf beim Krebsfang ertappt. Als Strafe mussten diese Feinschmecker einen Weg bauen, der vom Schloss bis in den „Wëltzer Bösch“ führt. Der Graf lieh ihnen eine Picke, einen Hammer und ein Brecheisen. Diese Fronarbeit dauerte vom 16. September bis zum 21. Dezember 1748. Bis in unsere Zeit hinein trägt der steinige Weg den Namen „Kriebsewé“. An kalten Tagen soll man noch die Schweißtropfen jener Männer wie Perlen an den Felsen glitzern sehen.
(Jos. von Hoefnagle starb auf Schüttburg in Gegenwart seines Hofkaplans Servais im Jahre 1764. Er wurde im Chor der alten Kirche von Consthum begraben. Noch heute steht sein verwitterter Grabstein auf dem Consthumer Friedhof.)